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Montag, 19. Mai 2014, 11:50

Fragezeichen hinter Airbus-Prestigemodell A350

Zitat

Auf der Luftfahrtmesse ILA präsentiert Airbus sein neues Modell A350. Der Langstreckenjet ist Europas Antwort auf Boeings Dreamliner. Doch richtig schwierig dürfte es erst nach Auslieferung werden.

Das Modell hat bereits alle erdenklichen Torturen überstanden – am Boden und in der Luft. Es ist an den Nordpol, nach La Paz in Bolivien, nach Kanada und in die Wüste geflogen und absolvierte gerade in Istres in Südfrankreich den sogenannten Schwimmbad-Test mit Starts und Landungen auf einer mit Wasser überfluteten Startbahn.

Im legendären McKinley-Testzentrum in Florida musste es sich in den vergangenen zwei Wochen zudem auf minus 43 Grad Celsius kühlen lassen, um kurz darauf bei plus 46 Grad weitere Tests zu bestehen. Nur um zu belegen, dass alle Systeme selbst bei extremen Temperaturen funktionieren.

Der A350 ist der neue Langstreckenjet des europäischen Flugzeugbauers Airbus – und der Star der ILA. An diesem Dienstag ist das Flugzeug erstmals auf der größten deutschen Luftfahrtmesse zu sehen. Die MSN4, so die Seriennummer der mit einer Passagierkabine ausgestatteten Testmaschine, wird Montagnachmittag für knapp 24 Stunden zu einer Kurzvisite in Berlin erwartet.

Mehr als 1600 Flugstunden haben mittlerweile vier A350-Testmaschinen seit dem Erstflug des neuen Langstreckenjets im Juni 2013 absolviert. "Die große Überraschung für unser Team war, dass es mit der A350 bisher keine Überraschungen gab", sagt Testpilot Wolfgang Absmeier. "Bis jetzt läuft alles gut."

Herausforderungen bleiben

Doch trotz aller bisherigen Erfolge bei den Flugtests gibt Airbus längst noch keine Entwarnung. Eher im Gegenteil. "Das Programm bleibt herausfordernd", sagte Konzern-Finanzvorstand Harald Wilhelm erst vor wenigen Tagen.

Für Airbus steht mit dem Modell viel auf dem Spiel. Mit mehr als zehn Milliarden Euro Entwicklungskosten ist die A350-Modellfamilie – im Flugzeug haben künftig etwa 300 Passagiere Platz – Europas Antwort sowohl auf den modernen Langstreckenjet 787 Dreamliner als auch auf das große 777-Modell von Boeing.

Im Geschäft mit Großraumjets, die meist über 200 Millionen Dollar pro Flugzeug kosten, verdienen Airbus und Boeing ihr Geld und sind noch unter sich, während bei kleineren Modellen die Konkurrenz wächst.

Im Juni soll das fünfte A350-Flugzeug zur Testflotte stoßen, um weitere Nachweise zu liefern. Für das dritte Quartal ist dann die Zulassung durch Europas Agentur für Flugsicherheit EASA und die US-Aufsichtsbehörde FAA geplant. "Eine enorme Menge an Dokumenten muss geliefert und bearbeitet werden", sagt Airbus-Finanzchef Wilhelm. Er deutet an, dass auch die Behörden mitspielen müssen, um alle Termine halten zu können.

Erste Zulassung im Herbst erwartet

Die EASA rechnet für Ende des Sommers mit der Zertifizierung, also vermutlich Ende August oder Anfang September. Doch die für Transatlantikflüge notwendige Zulassung durch die FAA könnte ein paar Monate länger dauern, warnen Experten. Die FAA habe sich bezüglich der sogenannten ETOPS-Regeln zusätzliche Bedenkzeit erbeten.

Hinter dem Kürzel verbirgt sich die maximale Dauer und Entfernung für Verkehrsflugzeuge mit nur zwei Triebwerken. Die entscheidende Frage dabei: Wie weit darf eine Maschine bei Ausfall eines Triebwerks im ungünstigsten Fall vom nächsten Flughafen entfernt sein? Das ist vor allem für Flüge über dem Meer wichtig. Derzeit sind es drei Stunden, doch Airbus und Boeing wollen offenbar längere Zeiten zertifizieren lassen.

Eine spätere Zulassung der A350 durch die FAA in den USA dürfte nach Ansicht von Branchenkennern jedoch nicht zu einer Verzögerung der Erstauslieferung an Erstkunden Qatar Airways führen, der unter die EASA-Zertifizierung fällt.

Allerdings ist Airline-Chef Akbar Al-Baker auch für seine extrem hohen Ansprüche bekannt. Beispielsweise verweigerte er 2011 zunächst die Annahme von zwei 747-8 Frachtmaschinen von Boeing, weil sie zu schwer waren und damit nicht die versprochene Treibstoffeinsparungen brachten.

Massenfertigung bleibt problematisch

Doch selbst wenn der anspruchsvolle Erstkunde aus Doha seine erste Maschine wie geplant vor Jahresende bekommt, steht die eigentliche Herausforderung bei dem Programm noch bevor. Denn der Flugzeugbauer muss Kunden und Aktionären beweisen, dass er das neue Langstrecken-Modell fristgerecht auch in größeren Stückzahlen bauen und mit dem Programm Geld verdienen kann.

Damit steht der eigentliche Härtetest erst an, wenn der Glamour um die Erstauslieferung an Qatar Airways im vierten Quartal verflogen ist.

Es gibt bereits ein paar warnende Hinweise, dass es zu Schwierigkeiten kommen könnte. So spricht Finanzvorstand Wilhelm davon, dass der "Produktionsausbau unverändert anspruchsvoll ist". Das werde kein Spaziergang.

Das hängt auch mit der komplett neuen Bauweise der A350 zusammen. Rumpf und Flügel eines Airbus-Flugzeugs bestehen erstmals überwiegend aus modernen Kohlefaserverbundwerkstoffen. Sie sind leichter als das bisher meist verwendete Aluminium und versprechen damit Treibstoffeinsparungen und weniger Wartung.

Probleme beim US-Zulieferer

Beim Modell A350 stellt Airbus nicht nur die Produktionsmethode um. Es sollen auch Fehler wie beim Riesenairbus A380 vermieden werden, der erst im nächsten Jahr und damit acht Jahre nach der Erstauslieferung, erstmals operativ einen Gewinn erzielen soll.

Bei dem Riesenmodell gab es anfangs den legendären Kabelsalat, denn die Ingenieure in Hamburg nutzten eine ältere Version des Designprogramms als ihre Kollegen aus Toulouse. Um solche Überraschungen bei der A350 zu vermeiden, arbeiten alle Ingenieure bei Airbus und auch den Zulieferern an nur einem digitalen Modell. Daran ist jede Änderung für jeden sofort sichtbar.

Dennoch läuft nicht alles reibungslos. So stagnieren beispielsweise derzeit die Zulieferungen der großen US-Firma Spirit Aerosystems. Sie produziert Teile des A350-Rumpfes. Im ersten Quartal lieferte Spirit nur Rumpfteile für zwei Flugzeuge. Zum Vergleich: Im vierten Quartal 2013 waren es doppelt so viele.

Airbus-Finanzchef Wilhelm verweist darauf, dass sehr genau verfolgt werde, welche Qualität aus interner oder externer Produktion geliefert wird. Offensichtlich nimmt der Flugzeugbauer nicht alles ab. "Wir wollen nicht den Schlamassel in unserer Fabrik haben", sagt Wilhelm.

Bisher 812 Bestellungen

Auch beim internen deutschen Zulieferer Premium Aerotec, wie Spirit ein Spezialist für große Teile der Kunststoffstruktur des Flugzeugs, ist die Situation nach wie vor angespannt. Teilweise wird der Hochlauf auch durch fehlende kleine Teile gebremst, ohne die ein Flugzeug aber nicht fertig ist.

Insgesamt, so Finanzvorstand Wilhelm, ist die Anzahl der benötigten Stunden zur Produktion eines A350-Modells noch zu hoch – aber das sei verständlich, weil alle Beteiligten noch am Anfang der Lernkurve stünden. 2013 musste Airbus allein gut 400 Millionen Euro Sonderbelastung verkraften, weil die Produktionskosten für das Flugzeug höher als erwartet ausfielen.

Dabei geht Airbus schon vorsichtiger als Boeing an den Bau eines neuen Flugzeugs auf Kunststofftechnologie heran. Die Europäer planen keinen so aggressiven Hochlauf der Produktion wie der US-Konkurrent. Im nächsten Jahr soll die Produktion von einer auf drei A350-Maschinen pro Monat hochgefahren werden.

Die Endfertigung soll dann schrittweise weiter steigen und vier Jahre nach der Erstauslieferung zehn Maschinen monatlich betragen. Ende April lagen Airbus 812 Bestellungen für das neue Flugzeug vor.

Aus den Fehlern von Boeing lernen

Lieber alles etwas vorsichtiger, um dadurch Rückschlaggefahr zu vermeiden, sagt man sich bei dem europäischen Flugzeugbauer.

Denn Airbus will die Fehler seines amerikanischen Erzrivalen vermeiden. Als Boeing sein Modell 787 Dreamliner im Oktober 2011 erstmals auslieferte, hatte sich das Programm bereits rund drei Jahre verspätet. Es wurden so viele neue Technologien eingeführt und weltweit an externe Zulieferer vergeben, dass der US-Konzern die Kontrolle verlor. Zum Teil musste sich Boeing in Zulieferwerke einkaufen, um die Qualität wieder zu sichern.

Airbus konnte aus jedem Fehler der US-Manager lernen. Selbst nach der Erstauslieferung des 787-Modells gingen die Verzögerungen weiter. Als große Schwachstelle des 787-Modells erwies sich das Stromnetz des Flugzeugs mit Lithium-Ionen-Hochleistungsbatterien. Es gab mehrfach Brände, die im Frühjahr 2013 sogar zu einem zeitweisen weltweiten Flugverbot des 787-Modells führten.

Die eigentliche Ursache für die Brände wurde nie gefunden, aber Boeing packt die Batterien jetzt in eine besonders gekapselte Technik und behauptet, alles sei jetzt sicher.

Boeing dürfte weltgrößter Flugzeugbauer bleiben

Airbus reagierte auf die 787-Brände und baut bei den ersten A350-Modellen zunächst wieder herkömmliche Nickel-Cadmium-Batterien ein. "Wir glauben, dass unser Design sicher ist", sagt Testpilot Absmeier. Aber Airbus glaube auch, dass Lithium-Ionen-Batterien noch nicht über den Berg seien.

Fast drei Jahre nach der Erstauslieferung seines 787-Modells hat Boeing inzwischen die Produktion stabilisiert und die Fehlerrate heruntergefahren. Der US-Konzern hat in seinen zwei Endmontagelinien an der West- und Ost-Küste der USA mittlerweile auf eine Monatsproduktion von zehn 787-Modellen eingestellt. Von dieser Produktionsgröße ist Airbus noch weit entfernt.

Bis zum Jahr 2020 wollen die Amerikaner die Monatsproduktion ihres Dreamliners auf 14 Modelle steigen. Das bringt Umsatz, Ertrag und vermutlich bleibt der US-Hersteller durch den Ausbau der Dreamliner-Produktion auch in den nächsten Jahren der größte Flugzeugproduzent vor Airbus. Bislang sind von den insgesamt gut 1000 bestellten 787-Modellen 140 Modelle ausgeliefert.

Zu den Dreamliner-Nutzern gehört auch Qatar Airways – der Erstkunde für den neuen Airbus-Jet. Die Fluggesellschaft hat also ab dem nächsten Jahr den direkten Vergleich, welches Modell besser und zuverlässiger ist. Offensichtlich gibt es Vertrauen in Airbus. Wie es heißt, ist bereits die Langstreckenroute Doha bis Perth in Australien vorgesehen.

Quelle: Welt-online