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hasegawa

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Sonntag, 20. September 2009, 22:42

Keglsugl - Bundi, Buschfliegen in PNG (Papua-Neuguinea), Teil I

PNG ist klassisches "Buschflieger-Gebiet". Eine riesige Insel mit langen Küsten und Bergen bis zu einer Höhe von gut 16.000 Fuß, kaum Straßen und wenige befahrbare Flüsse... Wie in Alaska fing auch hier die Fliegerei mit dem "Goldrausch" an. In den 20er Jahren wurde immer wieder Gold in den Bismarck-Bergen gefunden und die Goldsucher-Firmen ließen Flugplätze in den Dschungel hacken, um ihre Funde aus- und alles was man zum Leben braucht einzufliegen. Sogar Flugzeuge aus Deutschland verirrten sich in dieser Zeit hierher und eine Junkers W-33, mit der australischen Kennung VH-UIW und dem Namen "Lady Lettie" die erst Gold transportierte und später christliche Missionare zu den zahllosen Bergstämmen brachte steht heute in Lae im Museum, ... Zeugnis einer vergangenen Zeit. Es gab übrigens bis in die sechziger Jahre auch eine Junkers Ju 52/3m hier, die aber bei einer mißglückten Landung am halbverlassenen Airstripp Baier River am Mount Hagen 1965 schwer beschädigt wurde und dann jahrelang einfach vergessen herumstand. Ihr weiteres Schicksal ist mir leider unbekannt.
Dann kamen 1942 die Japaner und es entbrannten heftige Schlachten um Rabaul und Umgebung sowie um die örtliche Lufthoheit. Die berühmte Tainan-Gruppe der japanischen Marineflieger traf hier auf australische und amerikanische Jagdflieger und Ende 1943 waren nur noch 2 Piloten der ersten Aufstellung des Verbandes übrig...

Heute braucht das Land nach wie vor seine Buschflieger. Der Straßenbau geht vorwärts... aber langsam. Es gbit noch sehr viele abgelegene Orte, in denen die Ureinwohner dieses Landes ihr Leben relativ unberührt leben würden... wenn es nicht die christlichen Missionare beider Konfessionen geben würde. Jahr für Jahr kommen hoffnungsvolle junge Priester in dieses Land, um die Botschaft zu verkünden und irgendwann kehren sie als alte, desillusionierte Männer zurück, denn der Glaube der Ureinwohner an ihre Götter und Geister hat sich als hartnäckig erwiesen und irgendwie hat die christliche Botschaft in deren Religion Einzug gehalten ... diese aber nicht verdrängt, sondern ist eine eigentümliche Mischung eingegangen.

Heute steht meine kleine Bellanca (American Champion) "Scout" auf einer kleinen Dschungelpiste mit dem schönen Namen Keglsugl. Eine Übersetzung habe ich nicht und der Name bleibt für mich im Dunklen der Geschichte dieses Landes. Das kleine Dorf liegt in der Bergflanke des Mount Wilhelm... und ist Ausgangspunkt für die leichtere Tour der beiden Routen auf den Berg.

http://de.wikipedia.org/wiki/Mount_Wilhelm

Der Berg ist nach einem der Kinder des Reichskanzlers Otto von Bismarck benannt. Dies war mal ein Teil der deutschen Kolonie ... "Kaiser-Wilhelms-Land." Deshalb finden sich eine Reihe von deutschen Namen bis heute auf der Landkarte. Ansonsten ist nur noch der Friedhof in Madang ein Beleg. Viel mehr ist aus diesen Zeiten nicht übrig geblieben. Auch die eigentliche Kolonialgeschichte verliert sich im Dunkel einer Episode der Weltgeschichte. Der Eintrag bei Wikipedia beweist, das dieser Teil deutscher Geschichte faktisch verlorengegangen ist.

http://de.wikipedia.org/wiki/Kaiser-Wilhelms-Land

Mit 4.509 Metern ist der Mount Wilhelm der höchste Berg der Insel und der Flugplatz ist nicht einfach anzufliegen. Hinter der Bahn 32 ist der Berg und Landungen sind nur auf der Bahn 14 möglich. Das Anflugverfahren ist etwas sehr Spezielles.

Heute ist nicht wirklich Flugwetter. Es ist warm und regnet... was soll man auf einem Berg dicht am Äquator eigentlich erwarten? Immerhin ist es noch angenehmer als unten im Tal, aber die sogenannte Dichtehöhe ist gegen die Fliegerei mit einem kleinen Flugzeug. Der Motor zieht hier oben garnicht gut. Es ist eigentlich nicht die richtige Gegend für ein Flugzeug wie meins. Normalerweise fliege ich nur unten an der Küste entlang und transportiere allen möglichen Kleinkram und mitunter Passagiere. Ich beschließe mir ein "South Pacific (australisches Bier)" zu holen und den Nachmittag zu verschlafen. Aber es kommt anders.

Einer der Missionare hier oben kommt aufgeregt auf mich zugelaufen. Er wirkt nervös und abgehetzt. "Gehört ihnen das kleine Flugzeug dort?" und zeigt auf meinen müden Vogel. Ich nicke vorsichtig. Ja, was ist los?" Der Pater erzählt. "Ich habe gerade eine Mitteilung von Pater George in Bundi´s House erhalten und erfahren, das Medikamente benötigt werden. Eines von seinen Pflegekindern hat eine Wundinfektion. Wir haben in Bundi´s eine Apotheke wie sie wissen. Dort müsste das Zeug abgeholt und nach Tauta geflogen werden."

"Pater, ich kann jetzt nicht starten. Es ist zu heiß und der Platz hier oben und die Hitze ist zu viel für den Motor meiner Maschine." Der Kirchenmann blickt mich fragend an. Er ist offensichtlich mit dem Begriff Dichtehöhe nicht vertraut. Und er schaut mich wie ein getretener Hund an... und meint "Die Kleine wird die Nacht nicht überleben, wenn sie nicht fliegen... Wir haben momentan nur eine Twin Otter in der Gegend und die kann in Tauta nicht landen."

Ich beschließe, alles auf eine Karte zu setzen und es zu riskieren. Eigentlich würde das kein verantwortungsbewußter Pilot tun. Aber unter diesen Umständen? Kann ich da Nein sagen?
"Pater, bitte schließen sie mich in ihre Gebete heute mit ein. Der Abflug wird riskant. Aber ich werde es versuchen."

"Gott segne sie, junger Mann." sagt der Pater und lächelt. "Als ich so jung war wie sie, wollte ich auch Pilot werden. Aber Gottes Wege sind unerforschlich und so bin ich jetzt hier. Ich weis übrigens, warum sie nicht starten wollten..." sagt er und geht.



Meine "Scout." Sie sieht noch zerbrechlicher aus als sonst...Sie ist kein High-Tech-Flugzeug, sondern eine solide Konstruktion, die über viele Jahre bis heute gebaut wurde und auch heute noch ihre Abnehmer findet.





Nachdem ich den Motor angeworfen habe, stehe ich in den Bremsen und lasse das Triebwerk erst einmal warmlaufen.



Dann lasse ich mit einem Ruck die Bremsen los. Langsam, zögerlich und ganz sacht, ohne jegliche "Rasanz" beginnt die Maschine sich zu bewegen.



Ich komme weg. Die Stall-Warnung ertönt nur kurz,



Ich drücke an, um erst einmal Geschwindigkeit aufzubauen... was man so Geschwindigkeit nennt. 85 kts sind nicht gerade viel.



Ich fühle mehr, als ich es auf dem Variometer sehe, wie die Maschine zu steigen beginnt.



Aber ich kann nicht einfach geradeaus nach Bundi fliegen. Um über den Pass zu kommen, muss ich weit ausholen und "Höhe tanken."





So, mit der Höhe sollte es jetzt reichen. Behutsam wende ich und passe auf, nichts von der gerade gewonnenen Höhe wieder zu verschenken.







Es geht zurück nach Keglsugl. Ob der Pater hochschauen wird, wenn ich den Platz überfliege?



Der Platz wird überflogen. Ein komisches Gefühl. So viel höher bin ich nicht gekommen, aber es wird reichen.



Vor mir liegt der Pass.



Geschafft!. Jetzt kann ich es ruhiger angehen lassen bis zur Landung. In Bundi zu landen wird auch etwas kitzlig. Das hier übliche Schema. Die Bahn kann nur von einer Seite angeflogen werden.



Das Land um mich herum bereindruckt jeden, ob er neu hier ist oder schon seit vielen Jahren hier draußen...





Die Leistung des Triebwerks ist mörderisch abgefallen in dieser Höhe... hat natürlich keinen Turbolader. Es wird Zeit, Höhe abzubauen.



Ich hoffe nur, die Wetterküche läßt die Sicht auf den Platz offen.



Ich drehe in das Tal ein, wo auf einem Plateau der Flugplatz und die Kirche von Bundi zu finden sind und gebe dabei Höhe auf. Aus großer Höhe ist der Platz zu sehen, aber natürlich gehe ich jetzt nicht im Sturzflug runter, sondern werde am Ausgang des Tals wenden.





Viel Platz gibt es hier nicht und ich staune, wie man hier mit einer Twin Otter hineinkommen kann. Die Piloten von der MAF, die Flieger der Mission hier in Papua Neu Guinea machen das.



Ich folge dem Flusslauf und baue weiter Höhe ab. Der Platz liegt in 4.200 ft Höhe.



Eine Felsnase versperrt den direkten Anflug. Man muss sich "herummogeln."





Der Blick auf die Bahn ist frei... ich kann landen.



Immer wieder unterschätze ich die Gleitfähigkeiten des Flügels. Der Anflug wird länger als gedacht... hoffentlich nicht zu lang...



Wir sind da...





Eine Spritzwasser-Fahne hinter sich herziehend, rollt die Maschine aus. Es ist noch genug Platz und meine Sorge wegen dem zu flachen Anflug ist diesmal unbegründet.



Kein Gate... keine Bodenhostess und kein Zoll... aber ich bin angekommen. Ich wende, um so wenig wie möglich Zeit zu verschenken.





Das Triebwerk steht. Es hat hart arbeiten müssen.

Das ist also der erste Teil der Geschichte. Ist das Medikament bereit und werde ich vor Anbruch der Dunkelheit in Tauta sein? Fragen... Das werde ich im Teil 2 beantworten.

Verwendete Addons:

Realair American Champion "Scout"
Szenerie PNG Bush Pilot - Exreme Bush Trecker Combo Pack von Graham Michael und Pacific Islands Simulations.
Sirtech Landclass Australien und Pazifik, die leider nicht immer perfekt mit der genannten Szenerie harmoniert, aber trotzdem eine Bereicherung darstellt.
REX 2

Wer mehr über Land und Leute sowie die Fliegerei in diesem Winkel der Welt wissen möchte, dem kann ich zwei Bücher empfehlen:

"Endstation Dschungel - Auf der Suche nach Flugzeugwracks in Papua-Neuguinea" von Axel Thorer (Wahrscheinlich nur noch in der Bibliothek oder im Antiquariat zu bekommen)
ISBN 3-89405-032-2, Frederking Thaler GmbH, München, 1989

"Papua Neuguinea - Erlebnisbericht Rabaul - Kavieng" von Norbert Glamm, (verfügbar) ISBN 3-938262-24-9, 1. Auflage 2004 erschienen bei Pro BUSINESS GmbH Berlin

Die Site des Autors: http://www.glamm.de/index.htm?/cont/artefakte.htm
Andreas R. Schmidt
Potsdam und Riga

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2

Montag, 21. September 2009, 08:21

Wie auch schon Deine voran gegangenen Berichte läst sich auch dieser sehr gut lesen .... und ja eine Klasse Gegend und tolle kleine Airstrips , die es immer wiederspannend machen hier eine Landung zu probieren und auch heil durchzustehen ... :thumbsup: :thumbsup:
Gruß Klaus


Mein PC:ASUS Max VI / i7-4770K @ 4,5 GHz/GIGABYTE GTX 760 4095 MB / G.Skill 16GB DDR3-1866 / WD Black 1 TB / Sys: 256 GB ForceGS /FSX: 500 GB 840 EVO / TM-Warthog / FSX - ACC / OS: Win 7 64-Bit

Oliver199

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Montag, 21. September 2009, 18:54

Uhu, ich freue mich wirklich schon auf den nächsten Teil. Die Landung war sehr interessant :yes:

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hasegawa

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4

Montag, 21. September 2009, 19:11

Danke euch beiden für die aufmunternden Kommentare. Fliegen in PNG ist eine sehr vielseitige Angelegenheit. Ich fliege gerade die von Graham empfohlene Tour quer durch seine Szenerie mit allen 40 Flugplätzen ab. Es ist immer wieder ein Erlebnis... "anzukommen." Der höchste Flugplatz Lake Gwam liegt in 11.515 ft Höhe. Das ist eine Höhe, wo sich der Motor der Scout als zu schwach erwies. Die Höhe und die vergleichsweise hohe Temperatur waren zu viel für den kleinen Motor. Ich musste auf die Pilatus Turbo Porter umsteigen. Jetzt bin ich aber unten an der Küste und das ist etwas ganz Anderes. Palmenstrände... Plätze die man von See aus anfliegt... Kleine Einlagen mit Hubschraubern und Wasserflugzeugen... Abwechslung gibt es reichlich!
Andreas R. Schmidt
Potsdam und Riga

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5

Dienstag, 22. September 2009, 07:55

Den Bericht zu lesen hat mir große Freude bereitet, sowohl vom Text als auch den Bildern ein Genuß! Danke hasegawa! :tag:

hasegawa

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Dienstag, 22. September 2009, 18:38

Ich werde mich bemühen, auch im Teil 2 wieder gute Qualität abzuliefern und darf verraten, das die Bilder schon fertig sind... an der Geschichte bastle ich noch.
Andreas R. Schmidt
Potsdam und Riga